Geschichte

Bracciano liegt in einer durch die Natur sehr begünstigten Gegend oberhalb des nach der Stadt benannten Sees vulkanischen Ursprungs. Die Stadt kann daher auf eine lange Geschichte zurückblicken, die weitgehend durch die Nachbarschaft von Rom geprägt worden ist. Heute gehört Bracciano zur Region Lazio, in der Antike waren die Vorgängersiedlungen ein Teil Etruriens. Die Etrusker, Namengeber der Region Toskana, bestimmten vor dem Aufstieg Roms die Geschicke in den Sabatiner Bergen, wie dieser Raum damals hieß. Im Museo Civico von Bracciano lassen sich bemerkenswerte Fundstücke aus der Etruskerzeit bewundern: z.B. eine Amphora und eine Schale mit Reihern bemalt, beide aus dem 7.vorchristlichen Jahrhundert stammend. Spuren einer älteren bronzezeitlichen Besiedlung aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert wurden ebenfalls entdeckt.

Seit 400 v. Chr. wuchs der Einfluss Roms, das am Lacus Sabatinus (der römische Name des Braccianer Sees) eine Bürgerkolonie anlegen ließ. Die Romanisierung nahm damit ihren Anfang, deren Spuren in der Umgebung der Stadt unübersehbar sind, besonders auffällig sind die Ruinen der Wasserleitungen aus der Kaiserzeit.. Im Museo Civico steht als beredtes Zeugnis dieser Zeit die Statue des Apollo aus dem Stadtteil Vicarello, sie stammt vielleicht aus der dort ausgegrabenen Therme. Eine im Museum ausgestellte Inschrift enthält den Ortsnamen Forum Clodii, manche Wissenschaftler meinen, das sei die römische Vorgängerstadt des heutigen Bracciano, die vielleicht im Bereich der im nördlich der Stadt gelegenen alten Kirche San Liberato gelegen sei. Bei dieser Kirche lassen sich auch die frühesten Zeugnisse des Christentums feststellen. Die Stadt Forum Clodii wurde jedenfalls im 4. Jahrhundert n.Chr. als Bischofsstadt erwähnt.

Die Folgen der Völkerwanderung waren sehr einschneidend, nicht nur wegen der Zerstörungen, das Römerreich zerfiel, das bisherige Latium und der Raum bis zum Bolsena-See kamen im 8. Jahrhundert unter die weltliche Herrschaft des Papstes, als Teil des Patrimonum Petri, des Kirchenstaats. Unter dem Kirchenstaat darf man sich keinen geschlossenen Staat vorstellen, er war ein sehr lockeres Gebilde mit vielen selbstständig handelnden Adelsherrschaften und Städten. Zu einer solchen Adelsherrschaft unter der großzügigen Oberhoheit des Papstes entwickelte sich nun auch Bracciano, wobei die einzelnen Schritte dieser Entwicklung sich unserer Kenntnis entziehen. Im 9. und 10. Jahrhundert überfielen und plünderten immer wieder Piraten aus dem inzwischen arabisch gewordenen Nordafrika, die sog. Sarazenen, die Küstengebiete und die küstennahen Bereiche.

Um dieser Landplage Herr zu werden, errichteten adelige Großgrundbesitzer Befestigungen, in deren Schutz sich auch Bauern niederließen. Es gelang, die Eindringlinge abzuwehren, Adelige konnten gleichzeitig auch ihre Herrschaft über die Landbevölkerung sichern. In dieser Zeit muss die erste Burg auf dem Boden des heutigen Bracciano entstanden sein. Die sichere erste Erwähnung der Stadt stammt von 1234. Damals waren die Prefetti di Vico die Burgherren. 1419 übertrug Papst Martin V. die Herrschaft über Bracciano an eine der mächtigsten Adelsfamilien Roms, an die Orsini.

Die neuen Herren führten sozusagen die Stadt in das Licht der Geschichte. Diese Familie, deren Nachkommen noch immer in Rom leben, bestimmte die Politik in Rom über Jahrhunderte mit, aus ihrem Kreis kamen drei Päpste. Für Bracciano ging es aufwärts: Der Baron Napoleone Orsini entschloss sich 1470, unter Einbeziehung der alten Bergbefestigung der Vico eine der gewaltigsten Burgen Italiens zu bauen, diese Burganlage beherrscht noch heute eindrucksvoll die Stadt. Der Sohn und Nachfolger Gentil Virginio vollendete 1489 das Bauwerk und hatte mit einem solchen Bollwerk seine Macht gestärkt. Die ersten der noch heute glanzvollen ausgemalten Säle entstanden damals, das größte Fresko verherrlichte einen erfolgreichen Feldzugs des Burgherrn im Dienst des Papstes gegen Neapel. 1494 weilte der französische König Karl VIII. auf seinem Feldzug, der ihm den Thron von Neapel und Sizilien bringen sollte, in Bracciano.

Gentil Virginio verbündete sich als einer der wenigen italienischen Fürsten mit Karl VIII. Nach dessen Scheitern in Neapel bekam Gentil Virginio große Schwierigkeiten, der Papst Alexander VI. wollte ihm die Herrschaft entreißen und ließ die Burg Bracciano 1497 belagern. Die Orsinis konnten sich behaupten dank der tapferen Verteidigung durch Bartolomea Orsini, der Schwester des Burgherrn. 1560 dann erhob Papst Paul IV. die Herrschaft Bracciano zum Herzogtum. Der neue Duca Paolo Giordano verkörperte einen schillernden italienischen Renaissance-Fürsten. Er kommandierte einerseits erfolgreich die päpstlichen Truppen, als die türkische Flotte die Küsten Italiens bedrohten. Andrerseits verübte er kaltblütig schwerste Verbrechen. Verheiratet war er mit Isabella von Medici, die er aus Eifersucht ermordete. Er heiratete dann eine Frau, deren Mann, der übrigens ein Neffe des Papstes Sixtus V. war, er vorher hatte ermorden lassen.

1696 verkauften die Orsinis Bracciano an die Familie Odescalchi, denen heute noch das Schloss gehört. Diese Familie gestaltete die kriegerische Burg um in einen kulturellen Mittelpunkt, davon können sich die heutigen Besucher überzeugen. Don Livio, der erste Odescalchi, ließ die Burg zum Schloß restaurieren. Als Offizier hatte er sich bei der Verteidigung Wiens 1683 gegen die Türken ausgezeichnet. Er führte auch Reformen in der Landwirtschaft zur Erhebung der Ertragskraft durch. Seine Nachfolger mussten die langsame Zerrüttung des Kirchenstaats mit ansehen, den Napoleon in der Folge der Französischen Revolution 1798 auflöste. Die Franzosen beseitigten sämtliche Privilegien des Adels und verminderten damit auf Dauer die Stellung der Familie Odescalchi. 1815 wurde zwar der Kirchenstaat wieder neu errichtet, aber 1870 mit der Vollendung der Einigung Italiens endgültig aufgehoben, Bracciano war nun ein Teil des Königreichs und später der Republik Italien.

Gottfried Holzberger